Die HSG Uni Rostock zieht ihre zweite Mannschaft aus der Bezirksliga zurück
(MH) Fünf Jahre mögen für manch andere Vereine nach einer eher kurzen Periode klingen, aber angesichts der Tatsache, dass die Handballabteilung der HSG Uni Rostock erst seit nunmehr elf Jahren wieder besteht, kommt es den Uni-Handballern nicht nur wie ein beachtlicher Zeitraum vor, denn er ist es auch. Solange gelang es nämlich, eine zweite Männermannschaft in die Bezirksliga zu entsenden, um die HSG-Fahne auch in einer Liga des BHV Nord hochzuhalten, während die erste Männermannschaft sich in den verschiedenen Verbandsligastaffeln des HVMV tummelte. Bedauerlicherweise muss diese Ära nun ein jähes Ende finden.
Nachdem die Saison 2019-20 abrupt durch die Corona-Krise beendet wurde, war es den Bezirksligamännern demnach leider nicht vergönnt, die Runde regulär zu Ende zu spielen. Wenngleich die Ereignisse, welche sich in Deutschland während der Iden des März Bahn brachen, gesellschaftlich praktisch alle Grundfeste ins Wanken brachten, selbstverständlich zu derart enormer Relevanz erwuchsen, dass sie Amateursport auf den untersten Stufen als Null und Nichtig erscheinen ließen, blieb ein wenig Unbehagen, bei allem Verständnis für die Notwenigkeit der eingeleiteten Maßnahmen, zurück. In der Retrospektive wiegt dieses Gefühl umso schwerer, als sich in sportlicher Hinsicht aus dem Blickwinkel der Uni-Handballer ungute Entwicklungen teilweise in Gang, teilweise fortsetzten, welche in diesem Umfang im März 2020 noch nicht abzusehen waren.
Im Sommer dieses Jahres, als der Return-to-Play-Stufenplan des DHB und des HVMV zu greifen begann, die Sportstätten der Hansestadt Rostock unter Berücksichtigung und inclusive Implementation von Hygienekonzepten öffneten und die Sportler die Aktivitäten wieder aufnahmen, zeichnete sich ein etwas anderes – ein ziemlich düsteres – Bild. Nicht nur der reine Spiel- und Trainingsbetrieb hatte stark unter der Corona-Pandemie gelitten, das Vereinsleben war ebenfalls zum Erliegen gekommen. Viele lieb gewonnene und mittlerweile als obligatorisch erachtete Feste, Rituale, Treffen und Angewohnheiten hatten zu unterbleiben.
Vor diesem Hintergrund ist es den Uni-Handballern leider nicht gelungen, alles in Eigenregie zu kompensieren. Die Auswirkungen, wie beschrieben, lasteten und lasten bis heute schwer auf der Handballabteilung. Darüber hinaus ergab es sich, dass multiple Abgänge in diesem Sommer zu beklagen waren. Leider ist die Abteilungsleitung erst sehr spät, in manchen Fällen gar zu spät, von den einzelnen Akteuren über deren jeweilige Absichten in Kenntnis gesetzt worden, weswegen die frühzeitige Suche nach adäquatem Ersatz erst gar nicht anlief. Allerdings darf in diesem Zusammenhang natürlich mitnichten außer Acht gelassen werden, dass die Corona-Pandemie ein Vorgehen nach Schema F vermutlich ohnehin nicht ermöglicht hätte und dass andere routinemäßige und bewährte Maßnahmen zur Personalgewinnung überhaupt nicht durchzuführen gewesen wären. Darüber hinaus sind viele Menschen, darunter auch ein paar HSG-Mitglieder, im Leben abseits der Platte, mit großen, unerwarteten und unbekannten Herausforderungen konfrontiert worden, weswegen der Sport unweigerlich ins Hintertreffen geraten musste. Beispielsweise sind sowohl der universitäre Lehrbetrieb als auch das studentische Leben fast vollständig zum Erliegen gekommen. Präsenzlehre ist kaum zu leisten und die digitalen Angebote der Universität Rostock sichern zwar den obligatorischen Unterricht so gut wie möglich ab, können aber auf Dauer die sozialen und kulturellen Interaktionen der Studenten, zu denen viele HSG-Mitglieder zählen, bei Weitem nicht ersetzen.
Alles kann und soll aber nicht einzig und allein der Corona-Sondersituation angelastetet werden. Fast immer tragen auch eigene Fehler zum Scheitern, im vorliegenden Fall zum Rückzug einer ganzen Mannschaft, bei. Gewisse Anzeichen, die auf eine ungute Entwicklung hindeuteten, waren durchaus vorhanden, doch die Entscheidungsträger sahen vor zwölf Monaten diesbezüglich noch keinen Handlungsbedarf. Gegebenenfalls überstrahlte der Glanz der herrlichen Zehn-Jahres-Feier am Rostocker Stadthafen im Juni 2019 noch einiges. Vielleicht waren einige problematische Entwicklungen unterschätzt worden. Womöglich trugen bestimmte Personalentscheidungen zum Scheitern bei. Eventuell lag es in Teilen auch an der besonderen, studentischen Mitgliederstruktur. Die hohe Fluktuation, bei allen bestehenden Vorteilen, kann auch erschwerte Kalkulation und Unvertrautheit mit sich bringen. Waren die Verantwortlichen etwa auch von einer gewissen Hybris erfasst? Hinterher ist man natürlich immer schlauer. Leider verdunkelte das sich den HSG-Verantwortlichen zeichnende Bild binnen weniger Tage von düster zu finster.
Zwar hatte es durchaus großer persönlicher Anstrengungen einiger Akteure bedurft, die Handballabteilung der HSG Uni Rostock so aufzubauen und in die Position zu manövrieren, in der sie sich gegenwärtig befindet, aber bisher wurden eben diese Anstrengungen durch geschaffene Fakten belohnt. Seit 2009 war es gelungen, nach Jahren eine nicht mehr existente Abteilung bei der HSG Uni Rostock wiederzubeleben und die Kernsportart Handball ins Repertoire und Angebot des Gesamtvereins zu reintegrieren. Nach nur einem Jahr glückte der Männermannschaft der Aufstieg in die Verbandsliga. 2013 entsandte die HSG auch wieder eine Damenmannschaft in den organisierten Spielbetrieb. Die HSGirls verblieben drei Jahre in der Bezirksliga des BHV Nord, sammelten zwei Bezirkspokalsiege und eine Bezirksmeisterschaft ein und spielten fortan in der Verbandsliga des HVMV weiter. Ein weiterer Aufstieg in die MV-Liga war ebenfalls schon beschlossene Sache, doch die avisierte Liga löste sich vor Beginn des Spieljahres in Luft auf, weswegen die HSGirls seither in einer neu formierten Landesliga spielten. Der Zulauf im Männerbereich wurde Mitte des letzten Jahrzehntes gar so stark, dass die HSG Uni Rostock eine zweite Männermannschaft formierte und eben diese in die Bezirksliga entsandte. In dieser lokalen Spielklasse vertraten die Uni-Handballer ihren Verein fünf Jahre in höchst respektabler Art und Weise.
Was von der Zweiten, ihren Jahren in der Bezirksliga, ihren Akteuren, ihren Trainern und Betreuern bleibt, sind tolle Erlebnisse, viel Spaß, sportliche Anstrengungen, spannende Duelle, rauschende Siege, schmerzliche Niederlagen, viel ehrenamtliche Arbeit und ein Titel. Wenigstens die Gedanken an vergangene Ereignisse und vollbrachte Leistungen kann den aktuellen und ehemaligen HSG-Akteuren mit dem mecklenburgischen Stier auf der Brust und im Herzen niemand mehr nehmen. Der Glanz des Ruhmes des Aprils 2018 ist immer noch nicht ganz verblasst, denn beim damals in der Sporthalle am Gerüstbauerring ausgetragenen Bezirkspokalturnier war es einer bunt durcheinandergewürfelten HSG-Truppe gelungen, völlig überraschend den Altmeistern und Seriensiegern HC Empor Rostock IV und SV Warnemünde IV ein Schnippchen zu schlagen, sie auf dem falschen Fuß zu erwischen und mit dem Pokal an den Ulmencampus zurückzukehren. Der damalige Parforceritt der Bezirksligamänner ist nach wie vor von immenser Bedeutung für die Aufrechterhaltung des abteilungsinternen Friedens und der prophylaktischen Bekämpfung von Minderwertigkeitskomplexen der Männer, da sie den Uni-Handballerinnen in Sachen Titel faktisch und numerisch klar unterlegen sind. Ohne diesen Bezirkspokalsieg, den einzigen Titel beider Männermannschaften seit der Neugründung, trüge sich hier ein einziges, tragisches Desaster zu.
Ein ganz besonderer Dank gilt den beiden Trainerinnen Helene Radelhof und Lara-Isabell Wunderlich, welche über mehrere Jahre der zweiten Männermannschaft mit Rat und Tat zur Seite standen, wenngleich sie selbst akademisch, beruflich und privat stark eingebunden waren. Sie bildeten den Ruhepol auf der Bank, selbst in den hektischsten Phasen eines Handballspiels. Mit einer Engelsgeduld, profundem Fachwissen und exzellenten kommunikativen Fähigkeiten gelang es ihnen, der Zweiten den sicheren Rückhalt zu geben, den der stets bunt gemischte Haufen so dringend brauchte, um das vorgegebene Spielsystem umsetzen zu können.
Ebenfalls nicht unerwähnt dürfen und sollen in diesem Zusammenhang die tragenden Säulen bleiben, welche der Zweiten über die Jahre Stabilität und Verlässlichkeit garantierten. Als Spieler haben sie nicht nur sportliche Leistungen auf dem Feld vollbracht, sondern sich in mannigfaltigen Variationen um die Handballabteilung der HSG Uni Rostock verdient gemacht. Aus diesem Grund müssen hier Ross und Reiter klar und präzise benannt werden. Frank Fehringer, Stephan Klein, Ole Kumpe, Marcel Larisch, Johann Müller, Nils Quakernack, Marcus Reif, Karsten Scherf, Sebastian Schmidt, Steffen Schollbach, Andreas Schröder, Björn Spittau, Martin Werneke haben sich stets vorbildlich, tadellos und konstruktiv für die Belange der zweiten Männermannschaft eingesetzt. Ihnen ist und bleibt die Handballabteilung der HSG Uni Rostock zu großem Dank verpflicht und möchte eben diesen offensiv und ostentativ mit diesen Worten zum Ausdruck bringen.
Das Reich der Zahlen vermag womöglich einen kleinen Eindruck über das Vollbrachte zu vermitteln. Unvermittelt ins Auge springt die gezeigte und an Daten abzulesende Konstanz. In der Bezirksliga des BHV Nord belegte die Zweite viermal in Folge den dritten Tabellenplatz, jeweils hinter den beiden schier übermächtigen Altmeistermannschaften (HC Empor Rostock IV und SV Warnemünde IV). Hinzu kamen mehrfach dritte Plätze bei den Bezirkspokalturnieren. Niemals war der Punktestand am Ende der Spieljahre negativ. Insgesamt absolvierte die Reserve der Uni-Handballer in den letzten fünf Jahren 61 Spiele in der Bezirksliga. Dabei sprangen 34 Siege heraus, 4 Remis konnte erkämpft und 23 Niederlagen mussten letztlich hingenommen werden. Zusammengerechnet stehen 72 Punkte auf der Haben- und 50 auf der Sollseite. Den HSGlern gelang es, 1709 Tore zu werfen, 1590 Gegentore wurden durch die Gegner erzielt.
Das Ende kam schlussendlich im Sommer des Jahres 2020. Es ist ein profanes, ein verwaltungstechnisches, ein beklagenswertes und ein stilles Ende. In Stein gemeißelt war diese Entwicklung nicht. Es herrschte kein historischer Determinismus vor, der den Uni-Handballern diktiert hätte, nicht noch länger eine Mannschaft in die Bezirksliga entsenden zu können. Die Kaderstärke war für zwei Mannschaften einfach nicht mehr ausreichend. Doch nun muss mit der neuen Situation bestmöglich umgegangen werden. In diesem Zusammenhang sind die Uni-Handballer gegenwärtig dabei, den Männerbereich zu restrukturieren. Die Verbandsligamannschaft bleibt vorerst die einzige Männermannschaft der HSG Uni Rostock im handballerrischen Spielbetrieb, aber auch das muss ja mitnichten für immer so bleiben. Die Uni-Handballer sind stets offen für und neugierig auf überraschende Entwicklungen.