Entscheidung vertagt – Stichwahl in NWM

Am vergangenen Sonntag waren knapp über 130.000 Bürger im Landkreis Nordwestmecklenburg aufgerufen, ihren Landrat für die – voraussichtlich – nächsten sieben Jahre zu wählen. Fast 50.000 haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und sich auf die eine oder auf die andere Weise am Urnengang beteiligt. Das ist kein Spitzenwert, im Vergleich zu den beiden letzten Landratswahlen (in der Hauptwahl) sank die Wahlbeteiligung signifikant um mehr als zehn Prozentpunkte. Hinsichtlich der seit nunmehr länger als einem Jahr herrschenden pandemischen Sondersituation aufgrund des Corona-Virus, der reduzierten Anzahl von Wahllokalen inklusive intensiver Hygienemaßnahmen und der Ausweichoption Briefwahl ist dieser Wert aber durchaus im Rahmen der gängigen Beteiligung an kommunalpolitischen Entscheidungen. Die Auszählung der Stimmen dauerte am Wahltag relativ lang. Erst über zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale lag das vorläufige amtliche Endergebnis vor. Bei einer Wahl mit lediglich einem Zettel und einer Stimme pro Person und nur vier Kandidaten ein recht langsam verlaufener Prozess. Bei Abstimmungen mit multiplen Stimmen, die gegebenenfalls kumuliert oder panaschiert werden können, zusätzlich zur Wahl einer Partei, wie es relativ oft im personalisierten Verhältniswahlrecht der Bundesrepublik vorkommt, kann es deutlich komplizierter sein.

In den ritualisierten Nachwahlinterviews in Funk und Fernsehen seitens der politischen Akteure ist der Wähler mittlerweile daran gewöhnt, dass fast alle Beteiligten nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen und später der ersten Ergebnisse davon sprechen, dem Wähler zu danken, sehr zufrieden zu sein und im Grunde die Wahl gewonnen zu haben. Im vorliegenden Fall ist das paradoxerweise nicht ganz unrichtig. Alle vier angetretenen Kandidaten können nach der Wahl – in gewissen Schattierungen – relativ zufrieden sein. Tino Schomann ist als Kandidat der CDU angetreten, um die amtierende Landrätin abzulösen. Es ist ihm gelungen, die meisten Stimmen auf sich zu vereinen, eine relative Mehrheit zu erringen, die Hauptwahl zu gewinnen und gestärkt in die Stichwahl einzuziehen. Jörg Bendiks (Die Linke) landete auf dem dritten Platz und verfehlte die Stichwahl, doch sein Abstand zu den beiden vor ihm Platzierten fiel deutlich geringer aus als erwartet. Er vereinte Stimmen im fünfstelligen Bereich auf sich, erreichte somit über 22 Prozent und holte demnach sowohl in prozentuellen Werten als auch in absoluten Zahlen das beste Ergebnis für die Linkspartei, das je einer ihrer Kandidaten bei einer Landratswahl in Nordwestmecklenburg bisher erkämpfen konnte. Timon Wilke (Piratenpartei) zeigte sich kurz nach der Wahl zwar insofern enttäuscht, als dass er bekundete, sich noch mehr Zustimmung erhofft zu haben, aber sieben Prozent der Wählerstimmen sind in diesem umkämpften Bild als Vertreter einer kleineren Partei mitnichten ein schlechtes Ergebnis. Einzig und allein Kerstin Weiss (SPD), die amtierende Landrätin, hatte sich vermutlich ein etwas besseres Ergebnis ausgemalt. Sie verlor im Vergleich zur Hauptwahl 2011 nicht nur Tausende absolute Stimmen, sondern musste sich im ersten Wahlgang einem ihrer Herausforderer geschlagen geben. Nichtsdestotrotz hat sie dennoch klar die Stichwahl erreicht, in welcher nun am Sonntag in einer Woche (dem 09. Mai) final über den zukünftigen Landrat in Nordwestmecklenburg abgestimmt wird.

Tino Schomann erreichte am 25. April 35,9 Prozent der Stimmen, Kerstin Weiss 34,7 Prozent. Vor sieben Jahren errang die Sozialdemokratin ihr Amt ebenfalls in der Stichwahl, wobei das Ergebnis in der Hauptwahl einst noch knapper war – der Unterschied betrug lediglich 0,5 Prozentpunkte, weswegen ihr dieses Kopf-an-Kopf-Rennen nicht unbekannt ist. Damals brach die Wahlbeteiligung in der Stichwahl um die Hälfte ein, keiner der beiden Kandidaten konnte auch nur annähernd so viele Stimmen auf sich vereinen wie in der Hauptwahl. Sollte dies 2021 erneut der Fall sein, glichen Vorhersagen hinsichtlich des Ergebnisses einem Vabanquespiel. Der Korruptionsverdacht schwelt seit Wochen im Lager der Landrätin. Obgleich dieser nur wenige Tage vor der Hauptwahl erhoben wurde, ist er zu einer Belastung für die Wahlkämpfer der SPD geworden. Ob Kerstin Weiss diesen Nachteil mit ihrer Erfahrung im Direktwahlkampf wettmachen können wird, bleibt abzuwarten. Nach dem Ausscheiden der Kandidaten von Links- und Piratenpartei wird es für die Sozialdemokratin in erster Linie davon abhängen, ob sie eine Mobilisierungsfähigkeit in die Wählerschaft der beiden geschlagenen Kandidaten entwickeln kann. Die Ressourcen des konservativen CDU-Kandidaten scheinen eher ausgeschöpft, als die der SPD-Bewerberin, da diese tendenziell eher den Sozial- als den Christdemokraten zuneigen dürften. Allerdings ist die Dysfunktionalität des linken Lagers seit nunmehr drei Jahrzehnten in der Bundesrepublik immer wieder aufs Neue unter Beweis gestellt worden. Ihre Kohäsionskraft ist allerdings unterschiedlich ausgeprägt. In den neuen Bundesländern ist sie von jeher schwächer, da die Zusammenarbeit von SPD, Grünen und Bürgerbündnissen mit der Linkspartei oft erprobt und alltäglich ist, wohingegen sie im Westen der Republik immer noch eher gemieden wird. Hinzu kommt, dass große Störfaktoren (Friedens- und Bündnispolitik) meist auf Bundesebene zum Tragen kommen, wohingegen in der Landes- oder gar in der Kommunalpolitik diese Hindernisse viel niedriger sind oder überhaupt nicht existieren.